Wir werden Stadt-Gärtner*innen!

Bäume in der Stadt haben es schwer: Der Platz um sie herum dient oft als Hundetoilette, Fahrradparkplatz oder Müllkippe. Wir haben uns einer Linde im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel angenommen

Garten & Balkon
Von Lina Nagel, 23.05.2022 0 Kommentare

Step 1: Wo Gärtnern?

Wenn ich aus der Tür meines Mietshauses gehe, steht da eine alte Linde. Die Bewohner der Straße stellen ihre Fahrräder daran ab, Hunde buddeln drumherum, und nur die robustesten aller Pflanzen überleben auf der kleinen, malträtierten Grünfläche um sie herum. Ein klarer Fall für eine Guerrilla-Gardening-Aktion.

Guerrilla-Gärtner nehmen sich verwaister Flecken in der Stadt an und begrünen sie. Früher meist in Nacht und Nebel-Aktionen, buddeln die urbanen Gärtner mittlerweile mit Einverständnis vieler Städte und Kommunen.

Zum Bepflanzen geeignet sind Flächen, um die sich offensichtlich keiner kümmert und die ungefährlich zu bepflanzen sind (keine Verkehrsinseln auf stark befahrenen Straßen): Brachen zwischen Häusern, Straßenecken...

Besonders eignen sich Baumscheiben, die nicht asphaltierten Flächen um Straßenbäume. Wer die Erde um einen Baum auflockert, sie vielleicht sogar austauscht und robuste Blumen einpflanzt, tut dem Baum etwas Gutes: Seine Wurzeln können Wasser besser aufnehmen und sich besser ausbreiten. Am besten befindet sich die Baumscheibe in der Nähe der eigenen Wohnung, damit man regelmäßig nach den Pflanzen sehen und in warmen Perioden gießen kann.

Baumscheibe
Eine sogenannte Baumscheibe in der Stadt - vor ihrer Verschönerung

Viele Städte bieten mittlerweile Baumscheiben-Patenschaften an. So können die urbanen Gärtner sicher sein, dass ihre Beete nicht wieder entfernt werden. Nachdem auch ich mich bei der Stadt Hamburg abgesichert habe, bitte ich meine fünfjährige Nichte um Hilfe. Emily hat schon Erfahrung beim Pflanzen von Tulpenzwiebeln und will gerne beim Baumscheibe-Begrünen helfen.

Step 2: Welche Pflanzen eignen sich?

Pflanzen in der Stadt müssen vor allem eins sein: hart im Nehmen. Bei einer Bioland-Gärtnerei in Dithmarschen bestellen wir daher robuste, bodendeckende Stauden. Gärtnermeisterin Inger Rohwer stellt uns jeweils zehn Pflänzchen Waldsteinie, Storchschnabel und Immergrün zusammen. Diese Pflanzen prunken zwar nicht mit knalligen Farben, aber bedecken langfristig den Boden wie ein schöner grüner Teppich. Sie nehmen es nicht krumm, wenn man versehentlich darauftritt oder ein Hund das Bein hebt, und kommen auch ohne viel Wasser aus.

Das Schöne an Stauden: Sie sind mehrjährig, sodass man lange Freude an ihnen hat. Stadtgärtner erleben immer wieder, dass große und schöne Pflanzen abgepflückt werden – ein weiteres Argument für unsere kleinen Wucherer.

Step 3: Erde verbessern

Bevor es ans Pflanzen geht, tragen Emily und ich etwa zehn Zentimeter Erde ab. Da die Erde auf der Baumscheibe meist mehr Schad- als Nährstoffe enthält, tut das Auffüllen dem Baum und den neu gepflanzten Blumen gut. „So viele Steine“, sagt Emily. Tatsächlich wurde in der Baumscheibe einiges an Bauschutt verbuddelt.

Umgraben
Zunächst muss der Untergrund vorbereitet werden

Erde und Steine schippen wir erst einmal an den Straßenrand, bevor wir alles in stabile Säcke umfüllen und zum Recyclinghof fahren. Beim nächsten Mal würde ich einen Textilsack für Bauschutt bestellen, der nach getaner Arbeit abgeholt wird. Von der Gärtnerei haben wir vier 30-Liter-Säcke einer Mischung aus Torf und Humus mitgebracht, die genug Nährstoffe für Baum und Pflanzen liefert.

Samenbomben basteln

Samenbomben sind kleine Kügelchen aus Ton, Erde oder Kompost und Samen. Mit ihnen kann man schwer zugängliche Orte wie Brachen zwischen Häusern bepflanzen. Über Zäune geworfen oder in kleine Ritzen im Asphalt gelegt, fangen sie bald an zu sprießen.

Man braucht:

  • Tonpulver (ersatzweise eignet sich auch mineralisches Katzenstreu, wichtig ist die Eigenschaft „klumpenbildend“)
  • Blumenerde oder Kompost
  • Samen von den Lieblingsblumen (gibt es zum Beispiel in der Drogerie)
  • Ein Gefäß zum Abmessen, eines zum Kneten

Man vermischt 5 Teile Ton beziehungsweise Katzenstreu mit 3 Teilen Blumenerde oder Kompost und 1 Teil Samen. 1 Teil Wasser zufügen, kneten. Aus der Mischung rollt man zwischen den Händen Kügelchen mit etwa 5 cm Durchmesser.

Die Samenbomben müssen ein bis zwei Tage trocknen. Zur Aufbewahrung eignen sich kleine Leinenbeutel mit Zugband. So passen die Samenbomben auch unterwegs in die Tasche. Wer weiß, an was für kahlen, tristen Fleckchen man vorbeikommt?

Step 4: Pflanzen

Emily harkt noch schnell das Beet, damit eine gleichmäßige Oberfläche entsteht, dann geht es an das eigentliche Verschönern der Baumscheibe: Zeit zum Pflanzen! Gärtnermeisterin Inger Rohwer hat uns den Rat gegeben, um jede Pflanze einen Radius von etwa 20 Zentimeter zu lassen und die einzelnen Arten für ein schöneres Gesamtbild am besten zusammen einzupflanzen.

Damit es nicht so streng aussieht, pflanzen Emily und ich kleine Bögen. Die Pflanzen bekommt man am besten aus ihren Plastiktöpfen, indem man diese mit leichtem Druck zwischen den Händen dreht. Ich buddele etwa zehn Zentimeter tiefe Löcher mit der Pflanzschaufel, in die Emily die Pflanzen setzt und die Erde um sie herum gut festdrückt.

Immergrün einpflanzen
"Immergrün" geht immer

Außen pflanzen wir Immergrün und Waldsteinie, innen den Storchschnabel, von dem wir uns versprechen, dass er mit der Zeit zu einem schönen grünen Teppich rund um den Baumstamm wächst. Als Farbtupfer setzen wir einen Islandmohn zwischen die Stauden.

Kosten

Für eine Baumscheibe mit den Maßen 2,70 x 3 Meter rund um einen Baum mit circa 1 Meter Durchmesser:

  • 4 Säcke Bio-Gartenerde à 30 Liter: ca. 20 bis 25 Euro
  • 10 St. Kleinblättriges Immergrün: ca. 15 Euro
  • 10 St. Storchschnabel: ca. 20 Euro

Step 5: Beschützen

Zaun bauen
Wir errichten eine kleinen Zaun zum Schutz der jungen Pflänzchen

Zumindest am Anfang brauchen die kleinen Pflänzchen Schutz in Form eines Zaunes. Wir haben uns für eine einfache Variante aus druckimprägnierter Kiefer entschieden, die man wieder entfernen kann, sobald die Pflanzen größer und robuster geworden sind. Denn ein Zaun schützt zwar, kann aber auch provozieren.

Daher haben wir auch an den Schutzbügeln um die Baumscheibe so viel Platz gelassen, dass die Nachbarn noch ihre Räder anschließen können. Während Emily das Beet gießt, versammeln sich die Nachbarn aus dem Mietshaus. „Toll, die Idee hatte ich auch schon länger“, sagt Frau Görne. Und Frau Ludwig aus dem Erdgeschoss bedankt sich bei Emily und mir, dass wir dem Baum helfen. Frau Peters bietet an, beim Gießen zu helfen und aufzupassen. Als ich am nächsten Morgen hinausgehe, ist unser Haus-Beet schon frisch gegossen.

Fertiger Zaun um bepflanzte Baumscheibe
Fertig ist unser Stadt-Beet!

 

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