Muttis Mythos: Vom Lügen bekommst Du eine lange Nase

Woran erkenne ich, ob ein Mensch lügt? Das ist eine Frage, die auch die Wissenschaft beschäftigt. Von einem Mythos, der gar nicht so weit an der langen Nase herbeigezogen ist

Kolumnen
Von Anna Biß, 18.10.2022 0 Kommentare

Die Kinder stehen am Zaun und schnacken mit dem Nachbarn. "Flunkerst Du schon wieder? Davon kriegst Du eine lange Nase!", sagt der Nachbar gerade über den Zaun hinweg zu meinem fast fünfjährigen Sohn. Vorsichtig fasst der sich an die Nase: „Stimmt ja gar nicht!“ Recht hat er – wirklich länger wird die Nase vom Schwindeln nicht. Das ist nur ein Mythos, der sich aus den Pinocchio-Geschichten speist. Er ist aber gar nicht so weit hergeholt, wie verschiedene Studien beweisen.

Fakt ist: Unsere Nase verrät mehr über eine Lüge als Ihr vielleicht denkt. Spanische Wissenschaftler*innen fanden mithilfe von Wärmebildkameras heraus, dass die Nase beim bewussten Täuschen eines Gegenübers zwar nicht länger, dafür aber kälter wird.

Gleichzeitig erhöht sich die Temperatur im Bereich der Stirn und der Wangen. Dieser Temperaturanstieg liegt daran, dass Lügen für unser Gehirn ganz schön anstrengend ist. Es muss mehr arbeiten und wird besser durchblutet – die Stirn erwärmt sich.

Allerdings fällt es den meisten Menschen schwer, zu lügen. Sagen wir bewusst die Unwahrheit, haben wir oft ein schlechtes Gefühl dabei. Wir geraten in Stress. Diese gefühlsmäßige Belastung beim Lügen, führt dazu, dass sich unsere Blutgefäße an herausragenden Körperteilen, wie unserer Nase, aber auch unseren Fingerspitzen, zusammenziehen – diese Stellen werden kälter.

Dabei fällt bzw. steigt die Temperatur jeweils um etwa ein Grad Celsius. Und diese Schwankung lässt sich mit einer Wärmebildkamera deutlich abbilden. Die Erkenntnis der Forscher*innen: Je größer der Temperaturunterschied zwischen Stirn und Nasenspitze, desto wahrscheinlicher ist eine Lüge.

Mit etwa 80 Prozent hat diese Methode der Entlarvung von Lügnern eine höhere Trefferquote als ein Lügendetektor, der nur 60 bis 70 Prozent aller Unwahrheiten erkennt. Voraussetzung für die Wärmebild-Methode ist jedoch, dass der oder die Schwindlerin*in sich seiner Lüge bewusst ist und sich damit unwohl fühlt.

Erst ab einem Alter von etwa fünf Jahren hat sich die Wahrnehmung so weit entwickelt, dass Kinder in der Lage sind, zu lügen.

Zitat aus Leschs Kosmos: "Ungelogen! Die Wahrheit hinter der Lüge",
ZDF am 29.01.2019

Und noch etwas passiert beim Lügen: Menschen, die die Unwahrheit sagen, fassen sich häufiger an die Nase als Menschen, die ehrlich sind. Denn beim Lügen wird ein System in den Gang gesetzt, das die Nasenschleimhaut anschwellen lässt. Dadurch wird die Nase, genau genommen, tatsächlich ein klein wenig länger. Von außen ist das zwar nicht zu sehen, die Nase kann davon aber ein wenig jucken. Das führt dazu, dass wir uns beim Lügen häufiger ins Gesicht fassen. Psychiater*innen von der Universität Chicago nennen diese Stressreaktion unseres Körpers den "Pinocchio-Effekt".

Trotzdem, liebe Mutti und alle anderen, die so etwas behaupten: Die Nase wird beim Schwindeln zwar kälter, vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen größer, aber auf keinen Fall wächst sie und wird so lang wie die Nase von Pinocchio!


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