Muttis Mythos: Wunden brauchen Luft

Mutti ist knauserig mit Pflastern. Denn schließlich heilen Wunden an der Luft am besten. Warum diese Annahme Unsinn und medizinisch längst widerlegt ist, sich unter Laien aber dennoch hält

Kolumnen
Von Anna Biß, 04.01.2023 0 Kommentare

Kinder brauchen Pflaster. Immer. Und ständig. Und wenn kein Blut zu sehen ist, wird solange gedrückt und gepuhlt bis ein Tropfen kommt und das Pflaster rechtfertigt. Wo wir einfach mit den Schultern zucken und sagen: "Naja, wenn's hilft..." und dem Kind auf den Mini-Kratzer ein großes buntes Pflaster kleben, ist Mutti da schon knauseriger. Denn Wunden heilen an der Luft ja eh viel schneller. Ein längst veralteter Trugschluss, wie heute jede Ärztin oder jeder Arzt bestätigen würde.

Fakt ist: Wunden heilen besser in feuchter Umgebung. Werden die Verletzungen offen gelassen, trocknet die Luft sie aus, sie verschorfen und die Wundheilung dauert länger.

Auf den ersten Blick, scheint eine abgetrocknete Wunde erstmal gut zu sein. Zusammen mit der Sorge, dass sich in Feuchtigkeit schneller Keime und Bakterien entwickeln, ist das sicherlich einer der Gründe, warum sich der Mythos "Wunden brauchen Luft" so lange gehalten hat.

In der Medizin ist aber bereits seit den 1960er Jahren bekannt, dass sich Wunden in feuchter Umgebung besser entwickeln und schneller abheilen. Auch die Sorge vor Verkeimung ist unbegründet, solange die Wunde sauber ist. Vielmehr schützt ein Pflaster die verletzte Haut vor schädlichen äußeren Einflüssen wie Dreck, Keimen und Bakterien.

Damit sich eine Wunde schließen, sich also neue Haut bilden kann, müssen neue Zellen gebildet werden. Das geht in feuchter Umgebung deutlich besser als in trockener. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich unter einem Pflaster kein fester Schorf bildet, denn auch dieser stört eher bei der Wundheilung. Harte Verschorfungen sind außerdem unangenehmer, weil die Haut viel weniger flexibel ist und bei Bewegung mehr spannt. Das gilt vor allem für die "typischen" Kinderverletzungen wie Abschürfungen an Knien oder Ellbogen. Wo Schorf war, bleiben außerdem auch eher Narben zurück.

Also Mutti: Verschorfte Knie sind Geschichte. Stattdessen besorgen wir lieber ein paar hübsche Pflaster, die wir regelmäßig wechseln bis die Wundheilung abgeschlossen ist! Dann sind Kinder und Wunden glücklich.


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