Von der Chefredakteurin zur Heckenretterin

Mit ihrem Verein Heckenretter betreibt Alexandra Werdes aktiven Klimaschutz direkt vor unserer Haustür. Im Interview verrät sie uns alles über ihre Idee, Wildhecken und ihren Früchten einen Nutzen zurückzugeben.

Lesen & Hören
Von Anna Biß, 14.06.2021 0 Kommentare

Über Alexandra Werdes

Alexandra Werdes ist Journalistin und Umweltschützerin. Sie gehört zur Gründungsmannschaft von WARUM! und war mehrere Jahre lang die Chefredakteurin unseres Printmagazins. Außerdem schrieb sie für DIE ZEIT, Brandeins, GEO und die Kinder-Sachbuchreihe WAS IST WAS - zuletzt einen Band über "Nachwachsende Rohstoffe". 2019 brachte sie unter dem Namen TOFTE ein Eis am Stiel auf den Markt, dessen gesamte Einnahmen seit März 2020 in den gemeinnützigen Verein Heckenretter e. V. fließen.

 

Was hast Du gemacht seit das WARUM!-Printmagazin eingestellt wurde?

Als es eingestellt wurde, war ich schon dabei, meine eigene Unternehmung zu gründen. Und zwar mit einem Eis am Stiel aus Früchten, die in Wildhecken wachsen und der Idee, diese Hecken zu schützen, indem man Produkte aus ihren Früchten verkauft, neue Wildhecken anpflanzt und sie naturschutzgerecht pflegt.

Wie bist Du denn auf diese Idee gekommen?

Einfach weil ich die Natur liebe und gesehen habe, dass diese Hecken, die so wichtig sind, langsam verschwinden, weil die Felder immer größer werden. Da ich wusste, dass Hecken früher eigentlich nur entstanden sind, weil sie einen Nutzen hatten, habe ich mich gefragt: Warum nutzen wir sie denn heute eigentlich nicht mehr? Diese Früchte sind zwar heute immer noch lecker, es lohnt sich aber nicht wirklich sie zu ernten, weil das so arbeitsintensiv ist. Dann kam die Idee, das Ganze an ein gemeinnütziges Projekt zu binden, wo dann auch Freiwillige mittun, durch die man einen Teil davon auffangen kann. Und eben so den Hecken wieder einen Wert zurückgibt.

Welche Heckenfrüchte können wir überhaupt essen?

Mehr als wir denken. Aus Hagebutten kann man zum Beispiel einen leckeren Brotaufstrich machen oder ihr Fruchtmark zu Eis verarbeiten. Wenn man das Juckpulver rausholt, kann man auch die Frucht essen. Bekannter sind Holunder und vielleicht Schlehen. Zumindest bei den Erwachsenen, weil man daraus traditionell Likör macht. Auch die schmecken pur sehr gut. Ebenso viele Früchte, von denen wir denken, dass sie giftig seien wie die Frucht der Eberesche oder vom Weißdorn. Die sind roh zwar nicht genießbar, aber wenn man sie verarbeitet, kann man sie durchaus essen.

Und wie schmecken sie? 

Heckenfrüchte haben ihren ganz eigenen Charakter. Das Überraschende ist, dass wir heute oft gar nicht mehr wissen, wie sie schmecken und deswegen sowas wie Hagebutte oder Schlehe exotisch finden. Die Schlehe ist eher etwas für Kinder, die es sauer mögen. Ich finde es schwierig, die Geschmäcker zu beschreiben. Man muss es einfach probieren.

Vielleicht magst Du nochmal erklären, was denn das Besondere an Heckenfrüchten ist?

Das Besondere an den Früchten ist, dass sie sehr viele Vitamine haben – Hagebutten enthalten im Verhältnis 25 Mal soviel Vitamin C wie Zitronen. Außerdem enthalten gerade dunkle Früchte wie Brombeeren und Holunder auch viele andere Stoffe, die sehr gesund sein sollen. Man spricht ja so gerne von Superfruits, wenn man in tropische Länder guckt und da können die echt mithalten. Sie sind nur nicht so süß und schwieriger zu verarbeiten.

Und das Besondere an den Hecken?

... ist, mehr als an den Früchten, dass sie einen Lebensraum bieten. Und sie halten bis tief in den Winter hinein Nahrung für die Tiere bereit. Die meisten dieser Früchte haben auch an sich, dass sie mit dem Frost süßer werden. Das ist eine super Not-Vorratskammer für Vögel, aber auch für Füchse und andere Tiere.

Hecken können genauso viel CO2 binden wie Wald.

Alexandra Werdes, Gründerin des Heckenretter e.V.

Ihr pflanzt ja Eure eigenen Hecken an. Beerntet Ihr die auch schon?

Nein, das dauert ja ein paar Jahre, bis die Sträucher so groß sind, dass sie Früchte tragen. Erst im März haben wir die erste Hecke gepflanzt, die mit gezüchteten Formen von Holunder und Hagebutte speziell für die Ernte und nicht nur den Naturschutz angelegt ist. 

Aber langfristig ist das wahrscheinlich schon das Ziel?

Ja, und wir wollen dieses Jahr schon dahin kommen, dass wir vorhandene Hecken beernten, um die Früchte dann zu verwenden, weil wir auch die Pflege der Knicks unterstützen wollen. Also es geht nicht nur um die Neuanpflanzung, die super ist, weil wir damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Wir schaffen neue Lebensräume und schützen damit gleichzeitig noch das Klima, weil Hecken so viel CO2 binden können wie Wald. Gleichzeitig gibt es aber viele Hecken, die schlecht gepflegt werden und so im Moment ihren Wert als Lebensraum für die Tiere verlieren. Es gibt sehr viele Landwirte, die entweder keine Zeit oder keine Lust haben, sich da ordentlich drum zu kümmern. Und zum Teil kann man das verstehen… Die wollen ja Lebensmittel produzieren und nicht Naturschutz-Pflege betreiben. Da ist es gut, wenn Vereine wie wir Bürger und Bauern zusammen bringen.

Bieten gut gepflegte Hecken nicht auch den Landwirten einen Mehrwert?
 
Auf jeden Fall. Hecken schützen die Qualität des Bodens und sorgen dafür, gerade jetzt bei den trockenen Sommern, dass sich Feuchtigkeit auch hält. Die Felder trocknen dann nicht mehr so schnell aus. Manche Landwirte schätzen diese nützlichen Funktionen heute wieder höher als den Verlust an Fläche für den Ackerbau.

Wie kann ich selbst die Heckenretter unterstützen?

Am einfachsten mit einer Strauch-Patenschaft, die es über unsere Webseite gibt und dann natürlich bei den Pflanzaktionen. Da kann man sich schön auch selber mal die Hände schmutzig machen und mitpflanzen. Wahrscheinlich werden wir demnächst auch Fördermitgliedschaften anbieten.

Pflanzaktion der Heckenretter e. V.
An die Schubkarren, fertig, los: Die Heckenretter setzen bei ihren Pflanzaktionen auf Freiwillige - jeder darf mitmachen!

Was magst Du besonders an Deiner Arbeit für die Heckenretter?

Ich mag diese Kombination aus drinnen und draußen. Die mochte ich bei WARUM! auch schon immer. Also zum einen am Schreibtisch Ideen spinnen, Konzepte schreiben, Texte bearbeiten und anderen Menschen erzählen, was mich selbst begeistert hat. Zum anderen das Selber-Draußen-Sein, etwas ausprobieren, was in die Hand nehmen, etwas wirklich entstehen und in diesem Fall wachsen zu lassen.

Möchtest Du unseren Lesern zum Schluss noch was mit auf den Weg geben?

Ja, ich würde gern nochmal sagen, dass ich es schade finde, dass Hecken häufig so missverstanden werden als Gestrüpp. Oft sieht man nur diesen dornigen Strauch und nicht, was für Schätze solche Hecken bergen. Ich würde mich freuen, wenn Eltern mit ihren Kindern mal näher herantreten und gucken, was da für unterschiedliche Sträucher wachsen. Was die für verschiedenste Blattformen haben und zu unterschiedlichen Jahreszeiten mal gucken: Was blüht da grade und welche Früchte hängen denn da? Da gibt es tolle Sachen zu entdecken wie das Pfaffenhütchen oder den Schneeball zum Beispiel. Das sind Sträucher, die hier gar nicht mehr so präsent sind, die aber einfach wunderschön sind.

Hecken werden häufig missverstanden als Gestrüpp.

Alexandra Werdes, Heckenretterin

Über die Heckenretter

Der Verein Heckenretter e. V. pflanzt in der Metropolregion Hamburg Wildhecken und leistet damit einen aktiven Beitrag zum Natur- und Artenschutz direkt vor unserer Haustür. Denn Wildhecken – oder auch „Knicks“ wie sie hier in Norddeutschland heißen – sind nicht nur echte Klimaschützer und binden langfristig Kohlenstoff, sondern auch wichtiger Lebensraum und Nahrungsquelle für verschiedene heimische Tierarten, zum Beispiel Vögel und Insekten.

Die Heckenretter finanzieren sich durch Spenden, Strauch-Patenschaften sowie den Verkauf von Produkten aus Heckenfrüchten, die unter dem Markennamen „Tofte“ im Handel sind.


Um das bei der Produktion unseres Buches „Warum der Ohrwurm einen Frosch im Hals hat“ verbrauchte CO2 auszugleichen, spenden wir 15 Cent pro Buch an die Heckenretter und pflanzen damit eine eigene WARUM!-Hecke.

Shop

Auch interessant