Angsthase, Pfeffernase

... morgen kommt der Osterhase! Woher kommt dieser Kinderreim – oder sollten wir vielleicht lieber Beleidigung sagen? Eine Spurensuche

Redewendungen
Von Anna Biß, 23.02.2022 0 Kommentare

Wieder so ein Kinderreim, bei dem wir Erwachsenen uns fragen: hat der einen tieferen Sinn oder gilt das Motto "Reim dich oder ich fress dich"?

Angsthase, Pfeffernase,
morgen kommt der Osterhase!
Zieht Dir alle Hosen aus,
übermorgen Nikolaus!
Zieht sie wieder an
und Du bist dran!

Kinderreim (Herkunft unbekannt)

Sicherlich beides. Fest steht, dass unter diesem Spruch schon Kinder vieler Generationen zu leiden hatten. Denn er scheint mehr zu sein als ein simpler Abzählreim. Vielmehr war er – zumindest ursprünglich – wohl eher beleidigend gemeint. Und auf diese Weise als Angsthase verspottet zu werden, kann ganz schön wehtun! Fest steht auch, dass dem gleich zweimal darin vorkommenden Hasen Unrecht getan wird. Wir haben uns die Bestandteile dieses Kinderreims einmal genauer angesehen.

Der Angsthase

Als "Angsthase" wird ein Mensch bezeichnet, der vermeintlich ängstlich oder feige ist. Wie auch in anderen Redewendungen (z. B. "ein Hasenfuß sein") dürfte das Vorbild für diesen menschlichen Angsthasen der Feldhase sein. Als Fluchttier läuft dieser bei Gefahr entweder davon oder stellt sich tot. Die Redewendung "ein Angsthase" sein ist schon sehr alt und seit etwa 1500 bekannt.

Aus meiner Sicht wird hier sowohl Mensch und Tier Unrecht getan. Denn eine "gesunde" Angst schützt uns schließlich auch vor echten Gefahren. Und genauso wäre ein Feldhase, der sich dem Jäger oder Raubtier "mutig" entgegenstellt, wohl in Wirklichkeit eher als "dumm" zu bezeichnen. Mit anderen Worten: Das Davonrennen, Totstellen und Tarnen hat sicherlich schon so manchem schlauen Hasen das Leben gerettet!

Steckbrief: Feldhase

  • Familie: Hasen
  • Länge: bis 70 cm
  • Lebensraum: offene, warme und trockene Landschaften, z. B. Äcker, Felder und Brachland
  • Vorkommen: in Europa verbreitet vom Polarkreis bis zum Mittelmeer und bis in weite Teile Asiens; in den Alpen bis zur Baumgrenze
  • Merkmale: Lange, aufgerichtete Ohren („Löffel“; bis 13 cm lang) mit schwarzen Spitzen; gelbliches bis braungraues Fell; Schwanz oben dunkel; sehr große bernsteinfarbene Augen, die eine Rundumsicht ermöglichen
  • Besonderheiten: flüchtet bei Gefahr im Zick-Zack-Kurs („schlägt Haken“), kann bis zu 80 km/h schnell werden, bis zu 2,5 Kilometer am Stück laufen und meterweit springen

Die Pfeffernase

Als Pfeffernase wurde früher jemand bezeichnet, der sich wegen vermeintlicher Kleinigkeiten aufregt und sich schnell ärgert. Das geht aus mindestens drei Quellen aus dem 19. Jahrhundert hervor.

Möglicherweise kommt der Begriff aus der lange Zeit deutschsprachigen Region "Livland" im heutigen Baltikum (Estland und Teile Lettlands). Zumindest ist das Wort im Buch "Wörterschatz der deutschen Sprache Livlands" von Woldemar Gutzeit (Riga, 1889) aufgeführt.

In einem anderen Wörterbuch von 1865 ist der Begriff "Pfeffernase" hingegen als nord- bzw. niederdeutsch gekennzeichnet. Ich halte das für fragwürdig, da es im Plattdeutschen "Pepernees" o. ä. heißen müsste. Es kann sich aber natürlich schon in dem alten Wörterbuch um eine Übertragung ins Hochdeutsche handeln.

Wer eine Pfeffernase hat, der zürnt über Kleinigkeiten. Jedes unangenehme Wort kribbelt ihm in der Nase wie der Geruch gestoßenen Pfeffers.

Herman Schrader: Aus dem Wundergarten der deutschen Sprache (Weimar, 1896)

Osterhase und Nikolaus

Wie passen zwei Phantasiegestalten, die von Kindern geliebt werden, in einem abwertend gemeinten Kinderreim? Vielleicht so: Wer ein Angsthase und eine Pfeffernase ist, der glaubt auch (noch) an den Osterhasen. Und den Nikolaus. So zumindest könnte es ursprünglich gemeint sein.

Der Kinderreim

Die genaue Herkunft des bis heute gebräuchlichen Kinderreims ist unbekannt. Doch auch im weiteren Verlauf mit "Zieht Dir alle Hosen aus" setzt sich der beleidigende Charakter des Spruchs fort. Wer seine Hosen ausziehen muss, steht "nackig" im Sinne von "ungeschützt" und "bloß" dar.

Der hintere Teil mit "Zieht sie wieder an und du bist dran" könnte hingegen tatsächlich neueren Ursprungs sein als der erste Teil. Denn er mildert die vorherigen Verspottungen insofern ab, dass er quasi "den Spieß umdreht" und einen mehr oder weniger harmlosen Abzählreim aus der Beleidigung macht.

Dennoch halte ich diesen Kinderreim für einen der typischen Kindergartensprüche, die zumindest mit Vorsicht zu genießen sind. Regional sind auch andere Varianten bekannt.

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